biogenetisches Grundgesetz

biogenetisches Grundgesetz
I
biogenetisches Grundgesetz,
 
Rekapitulationstheorie, ein von F. Müller und E. Haeckel aufgestelltes Entwicklungsgesetz, nach dem die Reihe von Entwicklungsformen, welche ein Individuum während seiner (Individual-)Entwicklung von der Eizelle an bis zu seinem ausgebildeten Zustand durchläuft, eine kurze, gedrängte Wiederholung der langen Formenreihe ist, welche die Vorfahren desselben Organismus oder die Stammformen seiner Art von den ältesten Zeiten an bis in die Gegenwart durchlaufen haben.
 
Haeckel unterschied Palingenese oder Auszugsentwicklung, d. h. die Wiederholung stammesgeschichtlicher älterer Verhältnisse, und Zänogenese oder Störungsentwicklung, d. h. die Anpassung an die besonderen Bedingungen der Individualentwicklung. Das biogenetische Grundgesetz lässt sich ablesen z. B. an der Entwicklung von Zahnanlagen bei Bartenwalen als Nachweis für deren Abstammung von den Zahnwalen, an der Bildung von Kiemenspalten höherer Landwirbeltiere als Hinweis auf ihre Abstammung von wasserlebenden Tieren, an der knorpeligen Vorbildung der Säugerschädel als Zeichen für ihre Abstammung von Knorpelfischen. Haeckel wusste aber bereits, dass die Parallele von Embryonalentwicklung und Stammesgeschichte nicht absolut gültig ist. Daher besitzt das biogenetische Grundgesetz nicht den Status eines (Natur-)Gesetzes. Da die Entscheidung, ob eine Palingenese oder eine Zänogenese vorliegt, erst getroffen werden kann, wenn die Phylogenese des betreffenden Organismus erforscht ist, ist das biogenetische Grundgesetz als Methode zur Analyse der Phylogenie untauglich geworden. Der Grundgedanke des biogenetischen Grundgesetzes ist schon von J. F. Meckel der Jüngere 1821 angedeutet worden (Gleichung zwischen Entwicklung des Embryos und der Tierreihe), auch 1828 von K. E. von Baer, der auf die Parallele zwischen der individuellen Metamorphose und der Metamorphose der Tierreihe hinwies.
 
Der amerikanische Psychologe S. Hall hat später das biogenetische Grundgesetz auch auf die psychische Entwicklung zu übertragen versucht (psychogenetisches Grundgesetz).
 
 
E. Haeckel: Prinzipien der generellen Morphologie der Organismen (1906);
 A. Remane: Die Grundlagen des natürl. Systems, der vergleichenden Anatomie u. der Phylogenetik (Leipzig 21956).
II
biogenetisches Grundgesetz,
 
von dem deutschen Zoologen und Philosophen E. Haeckel vertretene, heute nur noch für bedingt gültig gehaltene Theorie, nach der die Individualentwicklung eines Lebewesens (Ontogenese) eine Wiederholung der Stammesentwicklung (Phylogenese) darstellt.

Universal-Lexikon. 2012.

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